Tumor-Diagnostik per Laserlicht: Leibniz-IPHT stellt Echtzeit-Gewebe-Analyse auf der "Laser 2019" vor

Eine bahnbrechende neue Methode, um Tumoren mit Laserlicht schnell, schonend und sicher zu erkennen, stellen Forscher des Leibniz-IPHT in Jena auf der Leitmesse „Laser World of Photonics“ vom 24. bis 27. Juni 2019 in München vor. Am Stand 350 in Halle B2 präsentiert das Jenaer Forscherteam gemeinsam mit Leibniz Gesundheitstechnologien ein kompaktes Gerät für die schnelle operationsbegleitende Krebsdiagnostik. Das optische Verfahren soll Chirurgen künftig dabei unterstützen, Tumoren exakter und damit schonender zu entfernen.

Krebs — diese Diagnose trifft fast jeden zweiten Deutschen irgendwann in seinem Leben. Es ist die zweithäufigste Todesursache hierzulande. Aber je früher die Krankheit festgestellt wird, desto größer sind die Chancen, sie zu überleben. Bis zu vier Wochen können allerdings vergehen, bis Patienten Sicherheit darüber haben, ob bei einer Krebs-Operation wirklich der gesamte Tumor entfernt worden ist. Eine Zeit quälender Ungewissheit — in der sich eventuell verbliebene Tumorzellen bereits wieder vermehren können. Ein Jenaer Wissenschaftlerteam hat nun ein Diagnoseverfahren erforscht, das die bisherige Prozedur revolutionieren könnte: Mit Laserlicht machen die Forscher krebsartiges Gewebe sichtbar. So können sie dem Operationsteam in Echtzeit Informationen liefern, um Tumoren und Tumorränder sicher zu identifizieren und zu entscheiden, wie viel Gewebe weggeschnitten werden muss. Möglich macht dies ein kompaktes Mikroskop, das ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), der Friedrich-Schiller-Universität, des Universitätsklinikums sowie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena entwickelte. Es kombiniert drei Bildgebungstechniken und erzeugt anhand von Gewebeproben während der Operation räumlich hoch aufgelöste Bilder der Gewebestruktur. Eine Software macht Muster und molekulare Details sichtbar, verarbeitet werden sie mithilfe von künstlicher Intelligenz. Die automatisierte Analyse ist schneller und verspricht ein verlässlicheres Ergebnis als die derzeit übliche Schnellschnitt-Diagnostik, die nur von einem erfahrenen Pathologen ausgewertet werden kann und immer noch nachträglich abgesichert werden muss.  Das optische Diagnose-Verfahren, für das die Jenaer Wissenschaftler 2018 mit dem renommierten Kaiser-Friedrich-Forschungspreis ausgezeichnet wurden, hilft zu vermeiden, dass ohnehin geschwächte Patienten sich einer erneuten Operation unterziehen müssen. So trägt es maßgeblich zu dazu bei, ihre Heilungschancen zu verbessern. In fünf Jahren könnte das kompakte Mikroskop in der Klinik stehen, prognostiziert Professor Jürgen Popp, Sprecher des Forschungsverbunds Leibniz Gesundheitstechnologien und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT, der den Laser-Schnelltest mit erforschte. 

Weiterentwicklung der bildgebenden Methoden im Leibniz-Forschungsverbund

Dem deutschen Gesundheitssystem könnte das erhebliche Kosten einsparen. „Eine Minute im Operationssaal ist die teuerste Minute im gesamten Klinikbetrieb“, erläutert Professor Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena. Bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich etwa werden nach knapp jeder 10. Operation nachträglich Krebszellen aufgefunden.  Im Forschungsverbund Leibniz Gesundheitstechnologien arbeiten die Wissenschaftler des Leibniz-IPHT deshalb gemeinsam mit anderen Leibniz-Forschen an der Verbesserungsolcher bildgebender Methoden: In Kooperation mit den Laser-Experten des Ferdinand-Braun-Instituts, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) in Berlin soll zum Beispiel die schnelle Bildgebung mit "Augmented Reality"-Ansätzen erweitert werden, um das Tumorgewebe während der Operation exakt lokalisieren zu können.

Die Vision: Mit Laserlicht Tumoren schichtweise entfernen

Die Leibniz-Wissenschaftler forschen zudem an einer Lösung, wie sie die einzigartigen Eigenschaften des Lichts dazu nutzen können, Tumoren im Inneren des Körpers frühzeitig zu erkennen und gleich zu entfernen. „Dafür brauchen wir neuartige Verfahren, die nicht mehr mit starren Optiken funktionieren, sondern mit flexiblen Endoskopen“, so Jürgen Popp. Solche Fasersonden fertigen Technologen am Leibniz-IPHT: Glasfasern, dünner als ein menschliches Haar. Sie eröffnen einen Weg zu einer minimal-invasiven Medizin, die eine schonende Diagnose und Heilung möglich macht. „Unsere Vision“, sagt Jürgen Popp, „ist es, Licht zu nutzen, um den Tumor nicht nur zu identifizieren, sondern ihn gleich zu entfernen. Dann müssen Mediziner gar nicht mehr mit einem Skalpell schneiden, sondern wären in der Lage, den Tumor lichtbasiert Schicht für Schicht abzutragen, um den Patienten komplett tumorfrei zu bekommen.“ In zehn bis fünfzehn Jahren will das Forscherteam eine Lösung erarbeiten. Das, prophezeit Popp, „wäre ein Riesenschritt in eine ganz neue Tumordiagnostik und -therapie.“ Die Forschungsarbeiten wurden gefördert von der Europäischen Union, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Thüringen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen und dem Fonds der Chemischen Industrie.