Hydrogele für medizinische Anwendungen
An den Leibniz-Instituten im Kompetenzfeld „Bioaktive Grenzflächen" werden vielseitige Mikrogele auf Wasserbasis entwickelt, die durch ihre biofunktionalen Eigenschaften große Fortschritte in der Medizin bewirken können. Die sogenannten Hydrogele ähneln einem vollgesogenen Schwamm und passen sich somit besonders gut an weiches, körpereigenes Gewebe an.
Aachener Leibniz-Forscher entwickeln Baugerüste für Nervenfasern und andere menschliche Zellen
Im ersten Teil unseres Technologie-Porträts zu Hydrogelen stellen wir die Forschung am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in Aachen vor. Am DWI werden Hydrogele entwickelt, mit denen unter anderem ein gezieltes Zusammenwachsen von durchtrennten Nervenbahnen ermöglicht werden könnte.
In der Medizintechnik sind biokompatible und -funktionale Materialien in den vergangen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Besonders wasserbasierte Gele haben sich aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit zum menschlichen Gewebe und ihrer Reaktionsfähigkeit auf Reize aus der Umgebung als vielversprechende Technologie-Basis für neue Medizinprodukte herausgestellt. Erforscht werden solche Gele unter anderem von den Leibniz-Wissenschaftlern am DWI in Aachen.
Hydrogel-Gerüste strukturieren Rückenmark-Stammzellen
Mit ihren speziellen Hydrogelen wollen die Aachener Forscher das Beste aus zwei Welten zusammenbringen, wie die DWI-Forscherin Dr.-Ing. Laura De Laporte zusammenfasst: „Wir binden natürliche Bausteine wie Enzyme, Membran- oder Signalproteine in künstliche Polymernetzwerke ein. So nutzen wir einerseits die für eine bestimmte Anwendung maßgeschneiderten Eigenschaften eines künstlichen Materials, andererseits die besonderen Funktionen der biologischen Komponenten.“ Auf diese Weise können die künstlichen wassergequollenen Gele mit Zellen, Proteinen und anderen Bausteinen des Körpers interagieren.
Ein eindrucksvolles Anwendungsbeispiel ist der Einsatz solcher Hydrogele für die Regeneration von verletztem Rückenmarksgewebe. Entscheidend für einen erfolgreichen Heilungsprozess ist ein strukturiertes, räumlich gerichtetes Wachstum der Nervenzellen: Damit deren lange Fortsätze sich zu Nervenbahnen zusammenfinden können, müssen die Zellen die gleiche räumliche Ausrichtung aufweisen.
Vielseitige Hydrogele: Für Injektion, magnetische Ausrichtung und 3D-Druck geeignet
Am DWI in Aachen werden deshalb injizierbare Hydrogele entwickelt, die den wachsenden Stammzellen als Gerüst dienen und gezielt mit Magnetfeldern ausgerichtet werden können. Bei dem sogenannten Anisogel handelt es sich um eine dreidimensionale, hierarchisch organisierte Struktur aus zwei Gelkomponenten: Einerseits Gel-Stäbchen, die geringe Mengen magnetischer Nanopartikel enthalten. Andererseits eine besonders weiche Gel-Matrix, in der die Stäbchen eingebettet sind. Die Matrix hält die Gelstäbchen an Ort und Stelle, auch wenn das Magnetfeld entfernt wird.
„Auf diese Weise können wir in dem Anisogel eine Art Pfad anlegen, an dem sich Nerven- oder Bindegewebszellen ausrichten, während sie dennoch problemlos durch die Gelmatrix wandern. Selbst wenn die magnetischen Stäbchen lediglich ein Prozent des gesamten Gelvolumens ausmachen, können wir damit schon ein gerichtetes Wachstum der Nervenzellen auslösen“, erläutert die DWI-Forscherin Laura De Laporte.
Durch additive Fertigungsverfahren können DWI-Forscher auch andere komplexe Hydrogel-Strukturen erschaffen. Ein Beispiel hierfür sind spezielle Hydrogel-Röhren aus kleinsten Zellulose-Fasern, sogenannten Zellulose-Nanofibrillen (CNF), die vollständig biologisch abbaubar sind. Mit ihnen lassen sich röhrenförmige, freistehende Zellverbände formen – ein entscheidender Schritt, um zum Beispiel Blutgefäße oder Knorpelgewebe nachbilden zu können und so Alternativen für Tierversuche zu schaffen.
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Publikationen:
Rose, J. C., Cámara-Torres, M., Rahimi, K., Köhler, J., Möller, M., & De Laporte, L. Nerve Cells Decide to Orient inside an Injectable Hydrogel with Minimal Structural Guidance. Nano Letters. DOI: 10.1021/acs.nanolett.7b01123 (2017).
Tigges, T.; Walther, A. “Shape Recognition-Mediated Hierarchical Self-Assembly of 3D-Printed Lock- and-Key Colloids” Angew. Chem. Int. Ed. DOI: 10.1002/anie.201604553 (2016).
Torres-Rendon, J. G.; Koepf, M.; Gehlen, D.; Blaeser, A.; Fischer, H.; De Laporte, L.; Walther A. “Cellulose Nanofibril Hydrogel Tubes as Sacrificial Templates for Freestanding Tubular Cell Constructs” Biomacromolecules, 17, 905. DOI: 10.1021/acs.biomac.5b01593 (2016).
Torres-Rendon, J. G.; Femmer, T.; de Laport, L.; Tigges, T.; Rahimi, K.; Gremse, F.; Zafarnia, S.; Lederle, W.; Ifuku, S.; Wessling, M.; Hardy, J. G.; Walther, A. ”Bioactive Gyroid Scaffolds Formed by Sacrificial Templating of Nanocellulose and Nanochitin Hydrogels as Instructive Platforms for Biomimetic Tissue Engineering” Adv. Mater. 27, 2989. DOI: 10.1002/adma.201405873 (2015).
Heuser, T.; Weyandt, E.; Walther, A. “Biocatalytic Feedback-Driven Temporal Programming of Self-Regulating Peptide Hydrogels” Angew. Chem. Int. Ed., DOI: 10.1002/anie.201505013 (2015).